Transformational Leadership – warum 50 % aller Transformationen scheitern – und was Leadership wirklich leisten muss
Während einer Erkundungswanderung in Andalusien habe ich erlebt, wie leicht man sich verirren kann, wenn man zu sehr aufs Tempo achtet – statt auf die Richtung.
Ich wollte an einem Tag zwei Wanderungen absolvieren. Die Zeit war knapp, das Ziel klar, die Motivation hoch. Doch irgendwann stand ich an einer Kreuzung, der Weg unklar, die Markierung verblasst. Ich hatte den Abzweig verpasst – schlicht, weil ich zu schnell war.
Ein banaler Moment vielleicht. Und doch ein starkes Sinnbild für das, was in vielen Organisationen passiert: Transformation wird mit Geschwindigkeit verwechselt.
„Wir müssen schneller werden.“
„Wir brauchen Agilität.“
„Wir müssen endlich digitaler werden.“
All diese Sätze hört man derzeit in Unternehmen – ob im Verwaltungsrat, in der Geschäftsleitung oder im Projektteam. Doch zu oft fehlt die wichtigste Grundlage: Orientierung.
1. Die Illusion des Tempos
Tempo vermittelt Dynamik. Aktivität schafft das Gefühl von Fortschritt.
Doch Geschwindigkeit allein ist kein Erfolgsfaktor – im Gegenteil: Wer nur Beschleunigung misst, verliert leicht das Ziel aus den Augen.
Eine aktuelle Studie der NTT DATA Business Solutions (Transformation Study 2024, DACH-Region) zeigt:
👉 Nur jedes zweite Unternehmen empfindet seine Transformation als erfolgreich.
👉 Rund 11,7 % der Projekte werden abgebrochen, etwa 32 % verschoben oder neu priorisiert.
(Quelle: NTT DATA Transformation Study 2024, DACH-Region)
Die Ursachen liegen selten in Technologie oder Budget – sondern in mangelnder Klarheit über Richtung, Wirkung und Verantwortung.
In der Schweiz zeigen ähnliche Tendenzen: Laut einer Erhebung von PwC Schweiz (2023) geben 54 % der befragten KMU-Leitungen an, dass „fehlende Führungsorientierung“ die grösste Bremse ihrer digitalen Transformation sei. Wie gelingt also Transformational Leadership?
2. Tempo ohne Richtung: Das Führungsdilemma
Viele Führungskräfte befinden sich in einem ständigen Spannungsfeld:
Sie sollen Veränderung treiben – aber gleichzeitig Stabilität gewährleisten.
Sie sollen Innovation fördern – aber Effizienz sichern.
Sie sollen Geschwindigkeit erhöhen – aber die Menschen mitnehmen.
Dieses Dilemma lässt sich nicht durch Tools oder Prozesse lösen.
Es braucht ein neues Verständnis von Führung: Leadership als Orientierungskompetenz.
Führung ist heute weniger die Kunst des Planens, sondern die Fähigkeit, Unklarheit auszuhalten und Klarheit zu schaffen – dort, wo sie fehlt.
3. Transformational Leadership oder warum Transformation an Führung scheitert
In der Praxis lassen sich vier häufige Ursachen erkennen, warum Transformation ins Stocken gerät:
1️⃣ Unklare Zielbilder
Vision und Strategie werden oft top-down formuliert, aber nie wirklich „übersetzt“. Mitarbeitende wissen, was sie tun sollen, aber nicht, wofür.
2️⃣ Fehlende emotionale Verankerung
Change-Programme starten mit PowerPoint und KPI, aber selten mit Sinn. Menschen folgen keiner Roadmap – sie folgen Überzeugung und Vertrauen.
3️⃣ Übersteuerung durch Aktionismus
Statt Räume zu schaffen, werden Strukturen verschärft. Das erzeugt Druck statt Dynamik.
4️⃣ Unzureichende Selbstführung
Wer ständig reagiert, verliert Gestaltungskraft. Führung beginnt bei der eigenen Reflexionsfähigkeit.
4. Transformation und Transformational Leadership beginnt im Bewusstsein
Transformation ist kein Projekt, sondern ein Bewusstseinsprozess.
Sie beginnt mit drei zentralen Fragen, die sich jede Führungskraft stellen sollte:
- Was wollen wir wirklich verändern – und warum?
Nicht jede Veränderung ist Fortschritt. Manchmal ist Stabilität die mutigere Entscheidung. - Wie klar ist unser gemeinsames Zielbild?
Mitarbeitende brauchen Orientierung, kein Overload an Initiativen. - Wer trägt welche Verantwortung – und wie sichtbar ist Führung dabei?
Sichtbare Verantwortung schafft Vertrauen – gerade in unsicheren Zeiten.
5. Die Rolle der Führung: Orientierung geben, bevor Dynamik entsteht
Führung bei Veränderung heisst, Orientierung zu geben, bevor die grosse Hektik entsteht.
Denn Tempo wirkt nur dann, wenn Richtung und Sinn geklärt sind.
Das bedeutet konkret:
- Mut zur Pause statt Dauer-Aktionismus.
- Reflexion statt Reaktion.
- Fokus statt Multitasking.
In meinen Coachings und Retreats – ob in Andalusien, in den Schweizer Alpen oder im Alltag – erlebe ich immer wieder: Sobald Führungskräfte innehalten, entsteht Klarheit. Eben – Transformational Leadership.
6. Adaptive Leadership – die neue Führungslogik
Der Begriff „Adaptive Leadership“ (Heifetz & Laurie, Harvard Business Review) beschreibt die Fähigkeit, sich in komplexen Umfeldern nicht nur anzupassen, sondern auch bewusst zu gestalten.
Die Leitidee:
Führung bedeutet nicht, auf alles eine Antwort zu haben – sondern Räume zu schaffen, in denen Antworten entstehen können.
In der DACH-Region zeigt sich: Unternehmen, die Adaptive-Leadership-Konzepte praktizieren, erreichen laut Deloitte (2023) eine um 38 % höhere Transformationsquote als rein hierarchische Organisationen.
Das Erfolgsrezept:
- Mehr Vertrauen in verteilte Verantwortung.
- Bewusster Umgang mit Unsicherheit.
- Lernen als Dauerzustand, nicht als Projekt.
7. Resilienz als strategische Führungsressource
Veränderung ist kein linearer Prozess. Sie verläuft in Wellen.
Führungskräfte brauchen heute also sowohl Weitblick (strategische Kompetenzen) als auch emotionale Belastbarkeit.
Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zeigt in ihrer Studie „Resiliente Führung in der Transformation“ (2022) fünf Kernkompetenzen auf, welche dafür verantwortlich sind:
- Selbstreflexion
- Emotionale Regulierung
- Lernorientierung
- Sinnorientierte Kommunikation
- Systemische Wahrnehmung
Resiliente Führung heisst, nicht alles kontrollieren zu wollen, sondern vertrauensvolle Strukturen zu schaffen, in denen Teams Verantwortung übernehmen können.
8. Purpose & Sinn: Der unterschätzte Erfolgsfaktor
„Purpose“ ist mehr als ein Trendwort.
Er gibt Orientierung, wenn sich Strategien ändern.
Eine Studie von Gallup (2023, DACH) zeigt: Mitarbeitende, die den Sinn ihrer Arbeit verstehen, sind dreimal stärker engagiert als jene ohne klare Sinnverknüpfung.
In meinen Führungscoachings ist Sinnarbeit oft der Wendepunkt:
Wenn klar wird, wofür jemand führt – nicht nur was er managt – entsteht Energie, die trägt.
Auch das passt zu Transformational Leadership oder Transformation Leadership.
9. Vom Change Management zur Change Literacy
Klassisches Change Management ist oft zu starr.
Moderne Organisationen brauchen Change Literacy – die Fähigkeit, Wandel als Dauerzustand zu verstehen und gestaltbar zu halten.
Das heisst:
- Veränderung als Kompetenz trainieren, nicht nur als Projektphase planen.
- Psychologische Sicherheit fördern, damit Feedback zu Lernen wird.
- Führung als Coaching-Prozess leben: zuhören, fragen, spiegeln, begleiten.
10. Fünf Impulse für die Praxis
1️⃣ Klarheit schaffen
Visualisiere dein Zielbild – mit Team, nicht im Alleingang.
2️⃣ Verlangsame bewusst
Tempo ist kein Qualitätsmerkmal. Baue wöchentliche Reflexionszeiten ein.
3️⃣ Sprich über Unsicherheit
Authentizität stärkt Vertrauen. Wer eigene Zweifel teilt, macht Entwicklung möglich.
4️⃣ Stärke Selbstführung
Führung beginnt mit Selbstklärung. Meditation, Coaching im Gehen oder Journaling sind keine „Soft Skills“, sondern Leadership Tools.
5️⃣ Feiere kleine Fortschritte
Transformation ist Marathon, kein Sprint. Anerkennung ist Energiequelle.
11. Beispiel aus der Praxis: Wenn Wandel gelingt
Ein Schweizer KMU aus der Industriebranche wollte „agiler werden“.
Nach zwei Jahren Prozessarbeit blieb der Erfolg aus. Erst als die Geschäftsleitung erkannte, dass Agilität nicht heisst „schneller“, sondern „bewusster“ zu entscheiden, änderte sich die Dynamik.
Sie reduzierten Meeting-Frequenzen, definierten klare Rollen – und begannen, wöchentlich eine Stunde für Reflexion einzuplanen.
Nach sechs Monaten stieg nicht nur die Produktivität, sondern auch die Zufriedenheit im Team deutlich.
12. Fazit: Richtung schlägt Tempo
Transformation ohne Richtung ist wie eine Wanderung ohne Karte.
Bewegung allein bringt keine Wirkung.
Wer führen will, muss zuerst wissen, wohin – und warum.
Transformational Leadership bedeutet heute:
- Orientierung geben, wenn andere Tempo machen.
- Bewusstsein schaffen, bevor Systeme installiert werden.
- Vertrauen fördern, wo Unsicherheit herrscht.
Denn Geschwindigkeit ersetzt keine Richtung – weder in Andalusien noch in der Führungsetage.
NTT DATA Business Solutions: Transformation Study 2024 – DACH Region. Transformationsstudie 2024 EN.pdf
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